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Kaffeeparadox

Kaffee, das blutzuckersteigernde antidiabetische Genussmittel

10. Juni 2011

Obwohl Koffein kurzfristig die Insulinsensitivität beeinträchtigt, korreliert starker Konsum koffeinhaltigen Kaffees langfristig mit geringerem Diabetesrisiko. Ein Blick auf die Studienlage soll mögliche Erklärungen für dieses Phänomen liefern und den optimalen Kaffeekonsum ausloten helfen.

Foto: Arabica-KaffeeKoffein und koffeinhaltiger Kaffee senken unstrittig kurzfristig die Insulinsensitivität. Ein plausibler Grund ist die Erhöhung des Adrenalinspiegels durch Koffein.[1] Die Adrenalinsekretion führt zur Freisetzung von Glucosereserven aus der Leber, die wiederum mit Insulinsekretion einhergeht. Symptomatisch hierbei ist die Herunterregulierung der Insulinsensitivität, damit die knappe Speicherglucose dem Zellstoffwechsel tatsächlich zur Verfügung steht. Dies ist soweit unschädlich, da Blutzucker und Insulin nur geringfügig ansteigen. Erst bei gleichzeitigem Zuckerverzehr wird das eklatante Ausmaß der Insulinbeeinträchtigung deutlich: Gegenüber gleichhohem Zuckerverzehr unter Koffeinabstinenz sind die Blutzuckerwerte bei Diabetikern um 21 % erhöht.[2] Dieser Effekt wird auch bei Gesunden beobachtet und durch die vorausgehende Aufnahme von gesättigten Fettsäuren zusätzlich verstärkt.[3] Für in Kaffee eingebundenes Koffein fällt der Effekt immerhin geringer aus; entgegen weit verbreiteter Meinung beeinträchtigt aber auch koffeinfreier Kaffee moderat den Glucosestoffwechsel.[4]

Auf jedweden Kaffee aller Sorten zu verzichten, müsste demnach die Devise lauten. Allerdings zeigen statistische Erhebungen inzwischen unmißverständlich auf, dass langfristiger Kaffeekonsum die Diabetesgefahr deutlich senkt.[5] Woher ergibt sich dieser positiv Effekt trotz akuter verschlechterung der Insulinsensitivität? Naheliegend, obgleich nicht nachgewiesen, ist die Toleranzentwicklung für Koffein, die mit regelmäßigem Konsum einhergehen dürfte. Dann entfalten die im gerösteten Kaffee ebenso enthaltenen, die Insulinsensitivität verbessernden Substanzen womöglich ihre volle Wirkung: Die beim Rösten aus Chlorogensäure entstehenden Quinide.[6] Eindeutiger ist da schon die ausgesproche Schutzwirkung des Kaffees vor oxidativem Stress, welcher als eine mögliche Ursache an der Entstehung der Diabetes-Krankheit diskutiert wird. Grund sind die v. a. im Arabica-Kaffee enthaltenen Polyphenole, die zu den stärksten bekannten Antioxidantien überhaupt gehören.[7] Die Auflösung des Paradoxons könnte aber auch viel einfacher sein: Koffeinhaltiger Kaffee hilft aufgrund der lipolytischen (fettabbauenden) Wirkung des Koffeins nicht nur beim Abnehmen sondern senkt das Risiko für Adipositas, welche eindeutig Hauptursache des matbolischen Syndroms ist.[8] Demnach dürfte jedoch schlanken Menschen kein Nutzen von koffeiniertem Kaffee im Hinblick auf die Senkung des Diabesrisikos zugute kommen. Doch das Trinken der koffeinfreien Variante scheint auch nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Die mildere akute Insulinresistenz wird durch die deutliche Erhöhung von Blutfettwerten erkauft,[9] die sich übrigens auch für ungefilterten Kaffe einstellt.[10]

Anhand des Gesagten können – aufgrund der laufenden Forschung wohlgemerkt eingeschränkte – Schlüsse für den eigenen Kaffeekonsum gezogen werden. In Anlehnung an den Hippokratischen Grundsatz Primum non nocere (zuallererst nicht schaden) und unter Würdigung der Tatsache, dass Kaffee die Insulinresistenz wenigstens kurzfristig erhöht, kann ein Kaffeekonsum mit genügend zeitlichem Abstand zum Verzehr von Kohlenhydraten am ehesten empfohlen werden. Eine Stunde ist gemäß der Studie von Beaudoin zu wenig, mit 3-4 Stunden sollte man auf der sicheren Seite liegen. Ein oder zwei Nachmittagskaffee drei Stunden nach dem Mittagessen und drei Stunden vor dem Abendessen oder ein Kaffee morgens für Frühstücksmuffel erscheinen praktikabel. Gegen eine Kombination mit zuckerarmen oder am besten -freien Snacks (z. B. Nüsse, dunkle Schokolade) spricht logischerweise wenig, zumal wenn man seinen Kaffee mit dem insulinregulierenden Zimt mag. Koffeinhaltiger Filterkaffee ist dem koffeinfreien oder ungefilterten stets vorzuziehen, um die negative Beeinflussung der Blutfettwerte zu umgehen.


Quellenangaben
[1] Danielle S Battram u.a., The effect of caffeine on glucose kinetics in humans – influence of adrenaline, 2005; Link

[2] James D. Lane, Caffeine Impairs Glucose Metabolism in Type 2 Diabetes, 2004, Link

[3] Marie-Soleil Beaudoin u.a., An Oral Lipid Challenge and Acute Intake of Caffeinated Coffee Additively Decrease Glucose Tolerance in Healthy Men, 1995, Link

[4] Greenberg JA u. a., Decaffeinated coffee and glucose metabolism in young men, 2009, Link

[5] Eduardo Salazar-Martinez u. a., Coffee Consumption and Risk for Type 2 Diabetes Mellitus, 2004, Link

[6] Shearer J u. a., Quinides of roasted coffee enhance insulin action in conscious rats, 2003, Link

[7] Leslie Baumann, Cosmetic dermatology: principles and practice, S. 300, 2009, Link

[8] Greenberg JA u.a., Coffee, diabetes, and weight control, 2006, Link

[9] Linda Little, Decaf Coffee May Increase ApoB Levels, 2005, Link

[10] Jee SH, Coffee consumption and serum lipids: a meta-analysis of randomized controlled clinical trials, 2002, Link
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